Dichtungen ohne PFAS
PFAS-Verbot: Fraunhofer IWM-Studie untersucht Auswirkungen Dichtungshersteller
Freitag, 20. September 2024
| Redaktion
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Unter den PFAS gelten Fluorpolymere als "Polymere von geringer Besorgnis"
Fluorpolymere, die auch in Dichtungen eingesetzt werden, gelten als „Polymere von geringer Besorgnis", Bild: Freudenberg

Die Stoffklasse der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen, kurz: PFAS, steht stark in der Kritik. Ab 2026 gilt in den USA eine Registrierungspflicht. In Europa wird seit Anfang letzten Jahres sogar über ein umfassendes, branchenübergreifendes Verbot dieser Stoffe nachgedacht. Besonders kritisch wäre ein Verbot von Fluorpolymeren. Denn der Wegfall dieser Hochleistungswerkstoffe hätte drastische Auswirkungen auf eine Vielzahl von Branchen. Gemeinsam mit Freudenberg hat das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM die Herausforderungen bei der Suche nach geeigneten Ersatzstoffen untersucht.

In den USA gilt ab Januar 2026 eine Meldepflicht für Unternehmen, die zwischen 2011 und 2022 PFAS in den USA hergestellt haben. Dazu zählen PFAS, PFAS-haltige Halbzeuge oder Produkte in die USA importiert wurden. Darüber hinaus beschränken einzelne Bundesstaaten die Verwendung von PFAS oder verlangen eine Berichterstattung. Das Ausmaß und die Fristen sind in den einzelnen Bundesstaaten sehr unterschiedlich. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat im Februar 2023 einen Entwurf für ein weitreichendes Verbot von PFAS veröffentlicht. Bis Ende September 2023 konnten betroffene Unternehmen und Organisationen zu den Auswirkungen eines solchen Gesetzes Stellung nehmen. Mehr als 4.400 Akteure haben diese Möglichkeit genutzt. Über 5.600 Kommentare und zusätzliche Informationen wurden eingereicht. 

Auch Freudenberg Sealing Technologies beteiligte sich an dieser Konsultation. „Wir unterstützen die Ziele des europäischen Green Deals und der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit. Wir fordern jedoch einen differenzierten, risikobasierten Ansatz bei der Chemiekalienregulierung wie für PFAS geplant,“ fasst Dr. Ruth Bieringer, Vice President Technology & Innovation, die Position des Unternehmens zusammen. 

Fluorpolymere in Dichtungen für Kompressoren, Motoren, Getriebe, Antriebssysteme und Hydraulik

Die jetzt veröffentlichte Studie „Replacement of Polymeric PFAS in Industrial Applications with Harsh Environments“ zeigt, dass vor allem Fluorpolymere in der Dichtungsindustrie derzeit unverzichtbar sind. Diese Stoffe werden in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt. Zu ihnen gehören unter anderem Kompressoren, Motoren, Getrieben, Antriebssysteme sowie in der Hydraulik. Fluorpolymere sind oftmals das bevorzugte Material, wenn der Dichtungswerkstoff mehrere Anforderungen erfüllen muss. Dies können zum Beispiel eine hohe Temperaturbeständigkeit und Verträglichkeit mit Schmierstoffen sein. Des Weiteren zählt dazu auch eine starke Beständigkeit gegenüber aggressiven Reinigungsverfahren und eine geringe Neigung zur Aufnahme und Übertragung von Aromastoffen. Fluorpolymere sind aber auch teure Werkstoffe. In der Regel werden sie nur dann eingesetzt, wenn ihre Leistung nicht durch billigere Polymere erreicht werden kann.

Vollständiger Ersatz von PFAS in der Dichtungsindustrie derzeit nicht möglich

Die Verfasser der Studie kommen zu dem Schluss, dass ein vollständiger Ersatz von PFAS in der Dichtungsindustrie derzeit nicht möglich ist. Man müsste erhebliche Einbußen bei den Materialeigenschaften, der Leistungsfähigkeit und der Produktlebensdauer in Kauf nehmen. Angesichts der Vielfalt von über 10.000 verschiedenen PFAS-Verbindungen plädieren sie für eine differenzierte, faktenbasierte Diskussion über die Regulierung dieser Stoffklasse. 

Lebenszyklusansatz als plausible Methode

Dr. Raimund Jaeger, Referent des Geschäftsfeldes Tribologie am Fraunhofer IWM, erläutert: „Aus unserer Sicht ist die Lebenszyklusbetrachtung der als ‘Polymere von geringer Besorgnis‘ geltenden Fluorpolymere eine plausible Methode, um zu einer realistischen Einschätzung einer potenziellen Gefährdung für Mensch und Umwelt zu gelangen. Alle an dieser Studie beteiligten Interessengruppen sind sich einig, dass eine sichere Herstellung und Entsorgung von polymeren PFAS unerlässlich ist. Solange sorgfältig darauf geachtet wird, schädliche Umweltauswirkungen zu vermeiden, sollte die Verwendung von Fluorpolymeren in der Industrie weiterhin möglich sein.“ Ein verbindlicher Zeitplan für die Einführung einer europäischen PFAS-Regelung steht derzeit noch aus. Dennoch bereitet sich die Industrie bereits auf mögliche Veränderungen vor. Bei Freudenberg Sealing Technologies läuft die Suche nach Ersatzstoffen trotz der aktuellen Unverzichtbarkeit Fluorpolymeren auf Hochdruck: „Wir verfügen über eine einzigartige Expertise in der Entwicklung polymerer Materialien wie Elastomere und Thermoplaste für industrielle Hochleistungsanforderungen. Unsere Materialien haben bereits in der Vergangenheit vielfach neue Technologien ermöglicht, und unsere Materialexperten sind hochmotiviert, auch weiterhin innovative Lösungen für zukünftige Herausforderungen zu entwickeln,“ so Bieringer.

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