VCI rechnet für zweites Halbjahr mit weiterer Verschlechterung der Geschäftslage

Chemieproduktion erneut gedrosselt

Die chemisch-pharmazeutische Produktion ist im zweiten Quartal 2023 um acht Prozent im Vorjahresvergleich gesunken

Die chemisch-pharmazeutische Industrie hat im zweiten Quartal 2023 ihre Talfahrt laut Branchenverband VCI fortgesetzt. Alle Indikatoren wie Produktion, Kapazitätsauslastung, Preise und Umsatz sanken. Auch der Blick in die Zukunft hat sich weiter eingetrübt. Die Unternehmen rechnen für das zweite Halbjahr mit einer weiteren Verschlechterung der Geschäftslage. Angesichts einer zunehmenden Nachfrageschwäche muss die Hoffnung auf eine Erholung verschoben werden. Auftragsmangel und hohe Produktionskosten zwangen die chemisch-pharmazeutische Industrie im zweiten Quartal ihre Produktion weiter zu drosseln bzw. an ausländische Standorte zu verlagern. Die Inlandsproduktion der Branche sank gegenüber dem Vorquartal um mehr als ein Prozent. Das Vorjahresniveau wurde mit einem Minus von acht Prozent daher kräftig verfehlt. Die Nachfrage nach chemischen Produkten aus dem In- und Ausland blieb schwach. Die Auftragseingänge in der chemisch-pharmazeutischen Industrie gingen weiter zurück, die Auftragspolster schmolzen dahin. Die Kapazitätsauslastung der Branche verschlechterte sich dementsprechend um rund einen Prozentpunkt. Mit 77 Prozent blieben die Anlagen weiterhin unterausgelastet.

„Die Lage ist ernst und die Stimmung dementsprechend schlecht“, stellt VCI-Präsident Markus Steilemann fest. „Hohe Energiepreise und Überregulierung gehen vielen deutschen Unternehmen zunehmend an die Substanz. Natürlich nehmen wir als Branche wahr, dass die Politik nicht die Augen vor den aktuellen Problemen verschließt. Aber Worte sind noch keine Taten. Die Bundesregierung muss den Alarmruf der energieintensiven Industrie ernst nehmen. Uns eint der Wille, die Deindustrialisierung zu stoppen. Ein entscheidender Schritt ist ein international wettbewerbsfähiger Strompreis. Deshalb brauchen wir einen Brückenstrompreis und die Beibehaltung des Spitzenausgleichs. Die Zeit drängt. Die Zeit zu handeln ist jetzt.“

Chemikalienpreise im Sinkflug

Angesichts der Nachfrageschwäche, eines zunehmenden Wettbewerbsdrucks und sinkender Energie- und Rohstoffpreise gaben die Erzeugerpreise in den vergangenen Monaten deutlich nach. Die Preise für chemische und pharmazeutische Erzeugnisse lagen drei Prozent niedriger als im Vorquartal. Im Zwölf-Monatsvergleich waren Chemikalien damit um ein halbes Prozent günstiger. Zwischen den Sparten fielen die Preisbewegungen allerdings unterschiedlich aus. Während die gasintensiven Düngemittel deutliche Preisrückgänge verbuchten, stiegen die Preise für Pharmazeutika im Vergleich zu den vergangenen drei Monaten moderat.

Sinkende Umsätze im In- und Ausland

Trotz fallender Energie- und Rohstoffkosten blieben die Erträge der Unternehmen wegen der geringen Kapazitätsauslastung, rückläufiger Verkaufsmengen und sinkender Erzeugerpreise unter Druck. Die Kunden im In- und Ausland hielten sich auch im zweiten Quartal des Jahres mit Chemikalienbestellungen zurück. Die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen blieb daher insgesamt schwach. Der Gesamtumsatz der Chemie- und Pharmaindustrie sank saisonbereinigt um rund fünf Prozent auf 54 Milliarden Euro. Die Verkaufserlöse lagen außerdem mit einem Minus von 15 Prozent erheblich unter dem Vorjahresniveau. Im Inland machte sich die schwache Industriekonjunktur in den Chemieumsätzen weiter bemerkbar. Die Auftragseingänge für Chemieunternehmen gingen weiter zurück. Die Entspannung in den Lieferketten und Erwartungen auf sinkende Preise sprachen zusätzlich gegen hohe Bestellmengen. Die Pharmaumsätze gerieten ebenfalls unter Druck und sanken. Auch das Vorjahresniveau wurde nach dem Ende des Impfstoffbooms deutlich verfehlt. Insgesamt sank der Umsatz mit inländischen Kunden im zweiten Quartal des Jahres kräftig um sieben Prozent. Mit einem Inlandsumsatz von fast 20 Milliarden Euro wurde auch das Vorjahresniveau um 21 Prozent verfehlt.

Auch die Geschäfte mit Kunden im Ausland waren weiter rückläufig. Die schwache Industriekonjunktur in Europa und weltweit, die Unsicherheiten über die weitere Entwicklung und abnehmende Lieferengpässe führten tendenziell eher zu einer Zurückhaltung bei den Bestellungen von chemischen Erzeugnissen. Dagegen setzten die Pharmaumsätze im Ausland ihren positiven Trend fort. Insgesamt gingen die Auslandsumsätze der Chemie- und Pharmaindustrie im zweiten Quartal des Jahres um mehr als drei Prozent zurück. Mit einem Auslandsumsatz von rund 34 Milliarden Euro wurde das Vorjahresniveau mit einem Minus von elf Prozent verfehlt.

Europageschäft der deutschen Chemieindustrie rückläufig

Die Geschäfte in Europa, dem wichtigsten Absatzmarkt der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie, gingen erneut deutlich zurück. Sowohl Chemie- als auch Pharmaumsätze sanken gegenüber Vorquartal. Während die Chemieumsätze (ohne Pharma) das Vorjahresniveau deutlich verfehlten, lagen die Umsätze mit Pharmazeutika immer noch über dem Niveau vor zwölf Monaten. In Nordamerika konnte dank steigender Pharmaumsätze noch ein Plus gegenüber dem Vorquartal verbucht werden. Die Chemieumsätze sanken und auch das Vorjahr konnte insgesamt nicht erreicht werden. In Asien konnten die Pharmaumsätze zwar kräftig ausgeweitet werden, trotzdem wurde das Vorquartalsniveau der Branche nicht erreicht. Auch das Vorjahr wurde das dritte Mal in Folge deutlich verfehlt.

VCI-Prognose für Gesamtjahr 2023

Für das Gesamtjahr 2023 rechnet der VCI mit einem Produktionsrückgang von acht Prozent. Bei rückläufigen Preisen wird der Branchenumsatz in diesem Jahr voraussichtlich um 14 Prozent sinken.