Interview: Ressourceneinsatz in der Chemieindustrie durch Digitalisierung senken

„Hier stimmt die Chemie“: Chem-Talk mit André Vennemann von Grundfos

André Vennemann, Direktor Industrie bei Grundfos

Die Einsparung von Ressourcen wie Wasser und Energie spielt in der chemischen Industrie eine wichtige Rolle. Industrie 4.0-Lösungen helfen der Branche, Optimierungspotentiale zu heben. Das fängt schon in den Sekundärprozessen an. chemieproduktion-online.de sprach mit André Vennemann, Direktor des Industrie-Geschäfts beim Pumpenhersteller Grundfos, über digitale Lösungen für die Chemieindustrie, die einen Beitrag für eine nachhaltigere und effizientere Produktion von chemischen Erzeugnissen ermöglichen. „Water as a service“ versus kostenintensive Investitionen wurde thematisiert und final beschrieben, warum Grundfos von sich sagt: „Hier stimmt die Chemie“.  

1) chemieproduktion-online.de: Herr Vennemann, seit 2016 sind Sie bei Grundfos für die Industriesparte im deutschsprachigen Raum verantwortlich. Was hat sich in Ihrem Unternehmen in den letzten drei Jahren getan?

Es bewegt sich sowohl bei Grundfos als auch insgesamt in der Industrie unheimlich viel. Vor drei Jahren haben wir noch Big Data gesprochen. Heute geht es darum, was man aus den gewonnenen Daten generiert und wie man sie sinnvoll verwenden kann. Digitalisierung spielt eine große Rolle. Früher haben wir als reiner Pumpenhersteller agiert. Jetzt, in Zeiten des drängenden Klimawandels, sind weitere Themen wichtig geworden. Als Pumpenbauer haben wir viele Möglichkeiten, den CO2-Footprint unserer Kunden positiv zu beeinflussen. Wie wichtig uns Nachhaltigkeit ist, konnte man bei der letzten Handball-WM der Damen sehen, wo Grundfos intensiv Flagge gezeigt hat. Dort standen die UN-Ziele 6 und 13 im Mittelpunkt – also Wasser für die Welt und Energieeinsparung. Auf diesem Gebiet können wir sicherlich viel bewegen.

Für fast jeden Liter Wasser, den man zur Verfügung stellt, braucht man Pumpen. Wir fördern schon seit Langem Projekte in Afrika und Südostasien, wo es um die Frischwasserversorgung von Menschen geht. Wir haben gerade unsere neue Strategie 2025 aufgesetzt. Ein klares Ziel ist die zusätzliche Versorgung von mindestens 300 Millionen Menschen mit sauberem Trinkwasser. Auf der anderen Seite wissen wir, dass zehn Prozent des weltweiten Energiebedarfs in Pumpen geht. Hier lohnt es sich richtig, an der Energieeffizienz zu arbeiten, vor allem solange die Energie nicht vollständig nachhaltig produziert wird.
Natürlich sind wir ein Unternehmen, natürlich müssen wir Geld erwirtschaften, auch für Investitionen in Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Aber der Unternehmenszweck, der uns antreibt, hat sich stark gedreht. Unser CEO Mads Nipper hat den Nachhaltigkeitsgedanken in unseren Köpfen verankert. Jeder hat die Möglichkeit, seinen Beitrag für eine bessere Welt zu leisten.

2) chemieproduktion-online.de: Eine Ihrer wichtigsten Branchen ist die Chemie. Gibt es besondere Anforderungen Ihrer Kunden aus der chemischen Industrie?

Nachhaltigkeit und Überwachung der Ressourcen, die man verbraucht, sind auch bei unseren Kunden im chemischen Bereich wesentliche Themen. Das zeigt sich bei der Betrachtung des Lebenszyklus von Stoffen insgesamt. Dazu gehört auch Wasser in Form von Frischwasser, das man für die Produktion oft in großen Mengen benötigt. Wir sprechen hier von Effizienzerhöhung, Reduzierung des Frischwasserbedarfs und Recycling von bereits eingesetztem Wasser, um den Wasserverbrauch zu reduzieren. Effiziente Lösungen spielen bei Grundfos seit langem eine große Rolle. Das ist getrieben durch die Heizungsbranche, in der sich unsere energieeffizienten Motoren zuerst durchgesetzt haben. Unser „iSolutions“-Ansatz bietet inzwischen hocheffiziente IE5-Motoren, die mit sehr wirksamen Permanent-Magnetmotoren arbeiten.
Gerade für die chemische Industrie ist der Einsatz von Stoffen und Wasser ein hoher Kostenfaktor. Je stärker man hier reduzieren kann und je mehr Recyclingmöglichkeiten in der Fabrik zur Verfügung stellen, desto weiter lassen sich die Kosten verringern. Über Senkung des Energieeinsatzes für die Produktion ist der Chemiefabrikant auch beim Thema Nachhaltigkeit dabei und reduziert seinen CO2-Footprint. Dieser Sommer ist im zweiten Jahr in Folge enorm heiß und die chemische Industrie als wichtiger Bestandteil der deutschen Industrielandschaft hat für sich erkannt, dass sie für mehr Nachhaltigkeit handeln muss. Für uns als Pumpenhersteller ist die Chemie eine wichtige Branche, um neue gemeinsame Lösungen mit unseren Kunden zu entwickeln und ihnen so zu helfen, ihre Ziele zu verwirklichen. 

3) chemieproduktion-online.de: Grundfos ist als Pumpenbauer, wie viele andere Unternehmen, mitten in der digitalen Transformation. Welche Möglichkeiten eröffnet die Digitalisierung Ihnen als Hersteller?

Die Digitalisierung bietet uns mehrere Vorteile. Auf der einen Seite leben wir unsere „Digital Customer Journey“: hier wird der Kunde schon bei der Entscheidungsfindung im Kaufprozess digital unterstützt, sei es mit Pumpenauslegungsprogrammen oder digitalen Nachschlagewerken. Auch im Versandprozess findet er über Track & Trace jederzeit den Status seiner Lieferung.
Auf der anderen Seite stehen unsere digitalen Lösungen, die aus Big Data Smart Data generieren. So gut wie all unsere Pumpen können ihre Betriebsdaten übertragen. Gerade in der chemischen Industrie sind wir in einem Bereich unterwegs, wo sich auf den eingesetzten Normpumpen auch intelligente Motoren für die Überwachung nachrüsten lassen. Aus den gewonnenen Daten können wir Themen wie Predictive Maintenance zur voraussagenden Ausfallwahrscheinlichkeit ableiten. Der „iSolutions-Monitor“, der jeden Betriebszustand von allen Teilen der Pumpe bis hin zur Lagertemperatur überwacht, zeigt frühzeitig an, wann ein Ausfall der Pumpe droht. So lassen sich Stillstandzeiten in den Betrieben minimieren.
Für die Hersteller in der Chemieindustrie ist die Pumpe sekundär. Also sind wir gefordert, unsere Daten so zur Verfügung zu stellen, dass die Unternehmen sie dann entsprechend ihren Bedürfnissen nutzen können, sei es in einer Leitwarte oder aber auch extern über Cloudlösungen. Wir können den Kunden mit Expertise aufzeigen, wo Optimierungspotentiale schlummern. Die Betriebssystemüberwachung von Pumpen gibt heute sehr viele Rückschlüsse, nicht nur auf die Pumpe selbst, sondern auf den gesamten Prozess.

4) chemieproduktion-online.de: Wie profitieren Ihre Kunden davon? Werden aktiv digitale Lösungen nachgefragt?

Schon seit längerer Zeit bewegt sich die Produktion von Standard hin zu Losgröße 1. Gerade durch die Digitalisierung lassen sich Pumpen in der Konfiguration an die individuellen Erfordernisse des Prozesses anpassen. So werden immer mehr Pumpen zu Einzellösungen für die Kunden.
Zudem sehen wir einen starken Trend weg von Capex, also Investitionskosten, hin zu Opex-Lösungen, die in die laufenden Betriebskosten einfließen. „Water as a service“ wird ganz sicher kommen. Die Frage ist, wer es anbietet. Sind wir es als einzelnes Unternehmen oder die Gemeinschaft der Pumpenhersteller, die dem Kunden das System in Form von Preis pro Kubikmeter entnommenem Medium abrechnet? Oder kommt das „iWater“ von Apple? Wasser ist der Stoff, um den sich in Zukunft alles drehen wird. Alle brauchen Frischwasser.
Leihmöglichkeiten bieten wir mit dem Grundfos „iSolutions-Monitor“. Das System für die Pumpenüberwachung wird in diesem Fall nicht mehr gekauft, sondern über monatliche Beträge abgerechnet. Mit einem Servicevertrag können wir über die gewonnenen Daten die Wartungsintervalle oder sogar den Pumpenaustausch nach Bedarf steuern. Wir gehen davon aus, dass in naher Zukunft Opex-Lösungen einen wichtigen Anteil am Umsatz ausmachen werden.
Auch unsere für die Industrie neue Garantie über fünf Jahre basiert auf einer digitalen Lösung. Die neue Pumpe wird online durch das Inbetriebnahmeprotokoll registriert, und der Kunde kann, wenn er uns Zugriff auf die Daten gewährt, Vorzüge wie vorausschauende, individuelle Wartung auf den Punkt nutzen. So hat sich aus den fünf Jahren Garantie ein Rundum-Sorglos-Paket entwickelt, dass in der Industrie sehr gut angenommen wird.
Bedingt durch die Platzierung in den Sekundärprozessen war das Kundeninteresse nach digitalen Lösungen bis vor kurzem eher zurückhaltend. Aktuell stellen wir jedoch fest, dass sich Unternehmen zunehmend stärker für die neuen Möglichkeiten interessieren. Sie sind mitten im Prozess und sehen, welchen Chancen ihnen die Digitalisierung eröffnet, auch in den Versorgungsprozessen für Wasser und Abwasser. Auch hier spielt das Thema Nachhaltigkeit wieder eine Rolle, sei es mit Energieeffizienz über sparsamere Motoren an den Pumpen oder die Optimierung des gesamten Prozesses von der Dosierung bis hin zur Verpackung.

5) chemieproduktion-online.de: Wenn Sie abschließend in drei Sätzen Ihren Kunden vermitteln wollten: "Wir sind Ihr perfekter Partner: Hier stimmt die Chemie". Was würden Sie ihnen sagen?

Ich lade jeden ein, Grundfos und seine Systeme kennenzulernen. Wir zeigen den Unternehmen, wie heute produziert wird, welche Optimierungspotentiale es gibt und was unsere Pumpen dabei leisten können. In Bezug auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit kann ich jedem eine passende Lösung versprechen, von der er überzeugt sein wird und die unsere Welt gleichzeitig ein Stück besser macht.

chemieproduktion-online.de: Herr Vennemann, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!