VDMA-Großanlagenbau 2018 wächst in volatilem Umfeld

Nachhaltig und agil

2018: Auftragseingang steigt um 3 Prozent auf 18,3 Milliarden Euro

Die von den Mitgliedern der VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) 2018 in Deutschland verbuchten Auftragseingänge lagen mit 18,3 Milliarden Euro um 3 Prozent über dem Wert des Vorjahres (2017: 17,8 Milliarden Euro). In einem volatilen Umfeld, das von starkem Preis- und Wettbewerbsdruck sowie vielfältigen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten geprägt ist, konnte der VDMA-Großanlagenbau damit den ersten Anstieg seiner Bestellungen seit 2013 verbuchen. Dieses Wachstum ist auf ein solides Auslandsgeschäft sowie auf eine Reihe von Megaaufträgen für Chemieanlagen zurückzuführen. „Darüber hinaus stellen wir fest, dass sich die Bemühungen des Großanlagenbaus zur Erschließung neuer Geschäftsfelder - etwa im Service, in der Digitalisierung oder im Betrieb von Anlagen - immer stärker auszahlen“, kommentiert Jürgen Nowicki, Sprecher der AGAB und Sprecher der Geschäftsleitung von Linde Engineering, die aktuelle Entwicklung.

Die Bedeutung des Auslandsgeschäfts im Großanlagenbau nimmt weiter zu. 2018 lag die Exportquote bei 81 Prozent, das Auftragsniveau stieg von 14,0 Milliarden Euro (2017) auf 14,8 Milliarden Euro. Russland war aufgrund mehrerer Megaaufträge der wichtigste Auslandsmarkt für den VDMA-Großanlagenbau. Darüber hinaus wurden hohe Bestellungen aus China, Ungarn, den USA und Großbritannien gemeldet. Eine deutliche Erholung der Nachfrage gab es ferner im Mittleren Osten, wo sich die Bestellungen um 50 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro erhöhten (2017: 1,4 Milliarden Euro).

Steigende Nachfrage nach Modernisierungen und Services im Inland

Die inländischen Buchungen sanken 2018 um 7 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro (2017: 3,8 Milliarden Euro). Hauptgrund hierfür war die anhaltend schwache Nachfrage im Markt für thermische Kraftwerke, die mit rund 500 Millionen Euro auf den niedrigsten Stand seit 15 Jahren absackte. Angesichts des absehbaren Endes der Kohleverstromung in Deutschland wird sich dieser Trend voraussichtlich weiter fortsetzen. Demgegenüber entwickelte sich das Geschäft mit Modernisierungen und Services mit einem Plus von 42 Prozent erfreulich.

Die Kundenbedürfnisse im Großanlagenbau werden umfangreicher. Neben den klassischen Forderungen nach hoher Produktqualität, kurzen Projektlaufzeiten und niedrigen Investitionskosten werden mittlerweile auch die Betriebskosten einer Anlage bei Kaufentscheidungen stärker gewichtet. Viele Kunden wünschen sich ferner Unterstützung bei der Finanzierung von Projekten, beim Service ihrer Anlagen und bei deren Betrieb. Darüber hinaus erwarten sie in zunehmendem Maße das Angebot von digitalen Leistungen. Der Großanlagenbau belegt den Nutzen digitaler Technologien mit belastbaren Kennzahlen, denn nur wenn sich ein betriebswirtschaftlicher Mehrwehrt nachweisen lässt, sind Kunden bereit, einen entsprechenden Aufpreis für diese Leistungen zu bezahlen.

Großanlagenbau ermöglicht nachhaltige Industrieproduktion

Die Pläne vieler Staaten, den Klimawandel einzudämmen und dafür Technologien zur Einsparung von Energie und Treibhausgasen einzusetzen, werden konkreter. Für den VDMA-Großanlagenbau als einem der führenden Anbieter von Anlagen zur Minimierung umweltrelevanter Risiken werden diese Bemühungen zum Treiber für neue Angebote und Dienstleistungen. Nowicki: „Die Branche wird damit zu einem wesentlichen Wegbereiter der Energiewende und zum Partner der Industrie bei der Erreichung globaler Klimaziele.“ Beispiele für die Leistungsfähigkeit des VDMA-Großanlagenbaus sind Anlagen für eine CO2-freie Energieerzeugung, Verfahren zur Rückgewinnung von Metallen aus Elektroschrott sowie Systeme zur Entfernung von Schadstoffen aus Rauchgas, um die Umweltbelastung durch Emissionen zu verringern.

Der Marktdruck im Großanlagenbau wird laut einer aktuellen VDMA-Umfrage in den kommenden Jahren weiter zunehmen. China wurde im Rahmen dieser Befragung erstmals als wichtigster Wettbewerber im Großanlagenbau identifiziert - vor Westeuropa und den USA. Dies ist vor allem das Ergebnis einer gezielten Förderung des Anlagenbaus durch den chinesischen Staat. Die Regierung setzt im Zuge ihrer industriepolitischen Strategie unter anderem auf günstige Finanzierungen sowie auf die Gründung von Großkonzernen, die binnen weniger Jahre zum Niveau der Industrieländer aufschließen sollen.

Politischer Rahmen muss angepasst werden

„Vor diesem Hintergrund brauchen die Unternehmen des VDMA-Großanlagenbaus mehr denn je einen fairen politischen Rahmen – national wie international, der mit den tiefgreifenden Veränderungen im globalen Projektgeschäft Schritt hält“, betont AGAB-Sprecher Nowicki. Der VDMA-Großanlagenbau begrüßt daher ausdrücklich, dass nun intensiv über eine nationale und europäische Industriepolitik diskutiert wird und appelliert an die OECD-Mitglieder, den vor 40 Jahren etablierten Konsensus, der als Regelwerk den Rahmen für die Außenwirtschaftspolitik setzt, praxisgerecht zu reformieren.

Die deutsche Politik sollte den engen Anwendungsbereich der 2016 eingeführten Strategie, Auslandsprojekte im nationalen Interesse besser politisch zu flankieren, kritisch überprüfen und für einen breiteren Kreis der Exportwirtschaft öffnen. Sie sollte auch die steuerpolitischen Rahmenbedingungen den veränderten Realitäten anpassen und deshalb vor allem das Risiko der Doppelbesteuerung weiter reduzieren.

Mitglieder der AGAB blicken optimistisch in die Zukunft

60 Prozent der Anlagenbauer rechnen laut einer aktuellen VDMA-Umfrage mit steigenden Bestellungen im laufenden Jahr, 20 Prozent der Befragten gehen von einer konstanten Nachfrage aus. Dabei richtet sich der Kundenbedarf zunehmend auf kleinere Neubauprojekte sowie auf Modernisierungen und Services. Megaaufträge werden im aktuellen Marktumfeld seltener nachgefragt. Dennoch gibt es auch in diesem Segment Bedarf, etwa im Mittleren Osten, in Nordafrika und in Südamerika. Dort könnten die Industrialisierung und die Elektrifizierung ganzer Regionen 2019 für hohe Bestellungen sorgen.

Gleichwohl: Die Volatilität der Absatzmärkte und der hohe Wettbewerbsdruck werden weiterhin bestehen bleiben. Der Großanlagenbau arbeitet daher intensiv an der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Neben der Digitalisierung stehen der Ausbau des Servicegeschäfts, die Modularisierung, die Stärkung der Technologieführerschaft und der Einsatz agiler Methoden im Fokus aller Bemühungen. Auch die Zusammenarbeit mit Partnern im Rahmen von Netzwerken wird in den kommenden Jahren wichtiger werden. „Vor allem wenn es darum geht, Megaanlagen, Ausbauprojekte und Serviceaufträge parallel abzuwickeln, helfen solche Strukturen, Kapazitäten bedarfsgerecht zu steuern und Handlungsspielräume zu schaffen“, erklärt Nowicki.