Reach-Verordnung mit kontinuierlichem Management- und Bewertungsprozess im Blick

Reach-Verordnung: Jetzt geht es erst richtig los

Seit Ende Mai 2018 die letzte Frist verstrichen ist und damit nun auch die letzte Registrierungsstufe erreicht wurde, meinen viele Hersteller und Importeure von Chemikalien, dass nun alles erledigt sei – und wollen die Reach-Akten schon wieder schließen. Dabei übersehen sie, dass die Verordnung eine dauerhafte, kontinuierliche Befassung erfordert. Hersteller und Importeure sind somit gefordert, die Reach-Verordnung stets im Blick zu behalten und künftige Entwicklungen aktiv zu verfolgen. Schon heute ist absehbar, dass sich die konkreten Anforderungen für Stoffgruppen, die Methoden zur Evaluierung und die Vorschriften zur Verwendung von Stoffen äußerst dynamisch verändern werden. Beispielsweise kann ein Stoff, der heute noch als unbedenklich gilt, künftig als „besorgniserregend“ eingestuft werden – mit den entsprechenden Konsequenzen für Herstellung, Lagerung, Transport, Verarbeitung, Verwendung und Entsorgung.

Es versteht sich von selbst, dass damit entlang der gesamten Lieferkette auch Verwaltungs- und Managementprozesse angestoßen werden wie das Aktualisieren von Dossiers, Sicherheitsdatenblättern (SDB) und Stoffsicherheitsbeurteilungen (CSR). Gleichzeitig gehen damit oft auch Informations- und Dokumentationspflichten einher. So bleibt gewährleistet, dass die Beteiligten entlang der Lieferkette alle notwendigen Informationen zum Stoff und seiner registrierten bzw. genehmigten Verwendung erhalten, und dass diese auf dem neuesten Stand sind.

Änderungen nachvollziehen

Insbesondere in den folgenden Fällen sollten die Reach-Verantwortlichen bei Herstellern und Importeuren darauf achten, dass sie der European Chemicals Agency (Echa) Änderungen fristgerecht mitteilen und die aktualisierten Dossiers zur Verfügung stellen:

  • Änderungen von Namen und Adressen (beispielsweise von Ansprechpartnern, Bevollmächtigten, Firmen, Unternehmen, etc.).
  • Ein Stoff wird auf eine neue Art und Weise verwendet, die bislang noch nicht registriert war.
  • Die Zusammensetzung des Stoffs wurde verändert.
  • Das Produktionsvolumen für einen Stoff hat sich stark erhöht.
  • Es gibt neue Erkenntnisse hinsichtlich der Risiken eines registrierten Stoffs.

Zudem kann sich nun nach Abschluss der Registrierungsphase herausstellen, dass die amtliche Bewertung der Stoffe durch die Echa und die EU-Mitgliedstaaten von der Bewertung des Registranten abweicht. Fallweise dürfte deshalb nachzubessern sein, denn die EU-Behörde prüft nun nach und nach alle eingereichten Dossiers.

Weiterer Startschuss für den Vollzug der Verordnung

Im Jahr 2019 wird die Echa weitere Projekte in die Wege leiten und damit beginnen zu prüfen, ob die Marktteilnehmer ihre Registrierungspflichten erfüllt haben. Der Vollzug der Reach-Verordnung ist zwar Sache der jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten. Die Echa möchte jedoch die zugehörigen, administrativen Schritte zügig initiieren, europaweit koordinieren und rasch etablieren.

Zollbehörden und Inspektoren werden daher schon bald ermitteln; zum Beispiel, ob die Unternehmen ihre Registrierungspflichten erfüllt haben, ob die Registrierung eines Stoffs als Zwischenprodukt gerechtfertigt ist und ob die Herstellungs- und Verwendungsbedingungen für SCC-Stoffe konform zu den Vorgaben der Verordnung sind. Dies sind alle Stoffe, die nur unter strikt kontrollierten Bedingungen hergestellt und verwendet werden dürfen (engl: „Strictly Controlled Conditions“; SCC). Darüber hinaus sollten die Hersteller und Importeure sicherstellen und für die Inspekteure nachvollziehbar dokumentieren, dass sie bereits wirksame Managementprozesse etabliert haben, die die regelmäßigen Dossier-Updates gewährleisten. Auch dazu sind sie durch die Reach-Verordnung verpflichtet.

Diese Managementprozesse und die Initiative der Akteure sind vor allem dann gefragt, wenn ein bislang als unbedenklich eingestufter Stoff auf die Kandidatenliste für zulassungspflichtige Stoffe rückt oder sogar in die Liste der besonders besorgniserregenden Stoffe aufgenommen wird (engl: „Substances of Very High Concern“; SVHC). Die Listen werden mehrmals im Jahr von der Echa aktualisiert. Die Aufnahme eines Stoffes in eine der Listen führt zu der Pflicht, dass alle Akteure entlang der Lieferkette über den neuen Sachverhalt und die daraus folgenden Konsequenzen informiert werden.

Vorteile, Nutzen und Chancen erkennen

Die bisherige Praxis bei der Umsetzung zeigt, dass manche Unternehmen die vielen neuen Aufgaben, Pflichten und Haftungsrisiken, die aus der Reach-Verordnung resultieren, als wirtschaftliche Herausforderung, Belastung oder Wettbewerbsnachteil empfinden. Das erscheint vor dem Hintergrund der bisherigen, national geprägten Zulassungspraxis zwar nachvollziehbar und verständlich. Doch gleichzeitig haben mittlerweile viele innovative und serviceorientierte Unternehmen den Nutzen, die Vorteile und Chancen der Reach-Verordnung erkannt: Sie entwickeln das System analog zu den Reach-Anforderungen selbstständig weiter und verfeinern es zu einem ganzheitlichen Stoffmanagement, das alle Zwischenprodukte und Stoffe erfasst – und nicht nur die Gefahrstoffe. Dieses Umdenken für zu einem Trend, der wiederum zu einem Paradigmenwechsel führen könnte: Fort von einem reinen Gefahrstoffmanagement hin zu einer vollständigen Stoffdeklaration (engl: „Full Material Declaration“; FMD).

Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Hersteller oder Importeur kennt die exakte Zusammensetzung der vermarkteten Produkte und deren Bestandteile, sodass deren gleichbleibende Qualität gesichert ist. Relevante Änderungen der Rezeptur oder Herstellungsweise werden aktiv entlang der Lieferkette kommuniziert, sodass alle Beteiligten stets über die Beschaffenheit der Stoffe informiert sind. Das erleichtert Wareneingangskontrollen, sichert die Qualität, reduziert Reklamationen und schafft Vertrauen in die eigenen Produkte. Diese Vorteile wirken sich positiv aus auf die Wettbewerbsposition in einem globalen Markt, auf dem eine fast unüberschaubare Anzahl an verschiedenen Stoffen, Zwischenprodukten, Chemikalien und Gemischen gehandelt wird.

Fazit und Ausblick

Es wird deutlich, dass die Reach-Verordnung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten das Maß für alle Chemikalien sein wird: Deren Risiken werden sich immer wieder – schon bekannt oder heute noch unbekannt – an ihr messen lassen müssen. Dabei wird auch die Überarbeitung der EU-Verordnung selbst regelmäßig zur Diskussion stehen. Aktuell scheinen beispielsweise Änderungen der Testvorschriften für Nanopartikel, Anpassungen in Bezug auf Tierversuche sowie eine Registrierungspflicht für Polymere notwendig. Im Vorteil sind die Hersteller und Importeure, die schnell auf künftige Veränderungen reagieren können. Die Reach-Experten von Tüv Süd Industrie Service unterstützen Unternehmen dabei, die dynamischen und komplexen Anforderungen des europäischen Chemikalienrechts dauerhaft zu erfüllen.

Gastbeitrag von Dr. Dieter Reiml, Zertifizierter Reach-Multiplikator, Tüv Süd Industrie Service
 

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